Die Zukunft in uns: Warum unser Gehirn längst digital denkt – und Deutschland noch nicht
Vor einigen Tagen saß ich in Köln bei einem Kamingespräch zur „Zukunft der Demenzversorgung“. Ein Abend, der von der Gesundheitsregion KölnBonn e.V. ins Leben gerufen wurde und der mir wieder einmal einen deutlichen Realitätscheck verpasst hat, wo wir in Deutschland aktuell stehen. Er hat nicht nur zusammengefasst, sondern deutlich offengelegt, warum wir uns selbst im Weg stehen.
Ein wichtiges Thema: die elektronische Patientenakte (ePA). Dr. Georg Kippels, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, brachte die Idee ins Spiel, dass Nicht-Nutzer der ePA künftig höhere Krankenkassenbeiträge zahlen sollten. Ein starkes Plädoyer für die Digitalisierung, das im Publikum auf ein geteiltes Echo stieß. Eine schnelle Umfrage bei LinkedIN legte das Dilemma glasklar offen: 55 % der Befragten waren für Belohnungen zur Förderung der ePA-Nutzung, aber nur 8 % für Sanktionen.
Die Kernaussage, die am Ende im Raum stand, war so einfach wie wahr: Echter Fortschritt braucht Digitalisierung, Therapie, Patientenorientierung und eine exzellente Koordination. Doch diese Diskussion in Köln ist nur ein Mikrokosmos für die viel größeren, strukturellen Blockaden, die uns in Deutschland daran hindern, das volle Potenzial der digitalen Medizin auszuschöpfen.
🧠 1. Der deutsche Bremsklotz: Große Visionen treffen auf fehlende Spielregeln
Wenn wir wirklich über die Zukunft der Pflege und Medizin sprechen wollen, müssen wir auch über Künstliche Intelligenz reden. Und hier hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) jetzt auf den Tisch gelegt, was jeder von uns in der Szene seit Längerem predigt. In einem brandaktuellen Positionspapier benennen sie die Bremsklötze, die jede KI-Integration in Deutschland von vornherein abwürgen: eine lähmende Rechtsunsicherheit bei Haftungsfragen, eine katastrophale Datenfragmentierung und eine chronische Unterfinanzierung der Infrastruktur durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG).
Während wir in Deutschland Positionspapiere schreiben, zeigt Microsoft mit dem Dragon Copilot für Pflegefachkräfte in den USA, wie so etwas in der Realität aussieht. Statt isolierter Einzellösungen entsteht dort ein offenes Ökosystem, in das sich Partner integrieren. Baptist Health testet zum Beispiel die Integration von Canary Speech, einer Software zur Analyse vokaler Biomarker – direkt im klinischen Arbeitsablauf.
Es ist nicht so, als hätten wir nicht auch in Deutschland starke KI-Produkte für klinische Dialogsysteme und Interoperabilitätsplattformen mit entsprechenden höchst interoperablen Softwareanwendungen. Aber oft fehlt es eben an entsprechender Regulation, Finanzierung und den Mut.
🚀 2. Wenn KI zum Coach wird und Gedanken Computer steuern
Während wir über die Finanzierung von Servern streiten, werden anderswo die fundamentalen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine neu definiert. Drei Beispiele zeigen, was möglich ist:
- Neuralink hat in Großbritannien in der letzten Woche den ersten Patienten mit einem Gehirnchip versorgt, der anschließend einen Computer nur mit Gedanken steuern konnte. Diese Entwicklung ist sowohl spannend, als auch besorgniserregend. Wenn Gesundheitsdefizite damit kompensiert werden, ist es genial. Werden aber tendenziell damit „Super-Brains“ generiert, hat diese Technologie das Potential zur Spaltung von Gesellschaften.
Tipp: Das ZDF hat das Szenario einmal weitergedacht und verfilmt. Absolut sehenswert! https://www.zdf.de/filme/ki—die-letzte-erfindung-movie-100
- Humain, ein saudisches Startup, bringt mit „Humain 1“ das erste komplett sprachgesteuerte KI-Betriebssystem auf den Markt. Das Ziel ist wohl, MacOS und Windows tendenziell durch eine reine Sprachsteuerung zu ersetzen.
- Google integriert mit Gemini Coach einen KI-Gesundheitscoach in die Fitbit-App, der aus Daten echte Empfehlungen generiert. Damit trägt jeder Nutzer einen auf individuelle Gesundheitsdaten und KI-basierenden Coach in seinem Smartphone mit sich.
Die globale Tech-Welt bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit. Doch sind wir als Menschen überhaupt für diese Entwicklung gemacht?
💡 3. Das Fundament in uns: Unser Gehirn ist für Code gebaut
Eine faszinierende Studie der Johns Hopkins University zeigt: Unser Gehirn muss keine neuen Systeme lernen, um Programmieren zu verstehen – es nutzt dieselben neuronalen Netzwerke wie logisches Denken. Das ist bahnbrechend. Logik, Mustererkennung, Problemlösung – alles bereits angelegt. Unser Gehirn ist für Technologie gemacht.
Das Problem ist nicht, dass wir die Fähigkeiten nicht hätten. Es ist, dass wir sie nicht nutzen. Deutschland denkt linear, während die Welt exponentiell handelt.
🧩 Fazit & Frage an dich
Vom Gehirnchip bis zur ePA, von KI-Ökosystemen bis zu neuronaler Logik – wir haben die Werkzeuge und das Wissen. Was fehlt, ist Mut und Struktur.
👉 Was ist deiner Meinung nach der wichtigste Hebel, den wir jetzt umlegen müssen, um die PS der Digitalisierung wirklich auf die (eHealth-)Straße zu bringen, ohne unsere Werte über Bord zu werfen?
Quellen:
- DKG Positionspapier KI in Krankenhäusern
- Microsoft Dragon Copilot für Pflegekräfte
- Neuralink UK
- Google Gemini Health Coach
- Humain KI-Betriebssystem
- Coding Logic Brain