Pflegegeführte Kliniken in Deutschland?

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Gesundheitsminister Lauterbach schlug vor wenigen Tagen vor, die Wertschätzung und Kompetenz in der Pflege, u.a. durch sogenannte Pflegegeführte Kliniken zu stärken. Was sich erst einmal wie eine weitere politische Pflege-Fantasie anhört, könnte einige Probleme im heutigen deutschen Gesundheitssystem im Positiven beeinflussen und ganz neue Widerstände erzeugen.

Es gibt sie schon in einigen Ländern, die Nurse-Led Care bzw. Nurse-Led Clinic – also Pflegegeführte Kliniken. Schweden, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten, Neuseeland, Kanada und Australienberichten von deutlich positiven Versorgungsergebnissen und eine höhere Zufriedenheit der Pflegefachkräfte und auch der Patienten. Selbst ökonomische Einsparungen konnten in dieser Versorgungsart aufgezeigt werden.

Doch was versteht man unter einer „Nurse-Led Clinic“? 

Die NLC ist eine Abteilung oder eine gesamte Gesundheitseinrichtung, die von examinierten Pflegefachleuten bzw. APN (Advanced Practice Nurses) betrieben oder verwaltet wird. Pflegegeführte Kliniken haben im Laufe der Jahre unterschiedliche Rollen übernommen und es gibt Beispiele in ambulanten Krankenhausabteilungen, öffentlichen Krankenhäusern und unabhängigen Praxisumgebungen. Pflegegeführte Kliniken konzentrieren sich in der Regel auf das Management chronischer Krankheiten: Bedingungen, bei denen regelmäßige Nachsorge und Fachwissen erforderlich sind, aber auch, bei denen ein Patient möglicherweise nicht unbedingt bei jedem Besuch einen Arzt aufsuchen muss. Dazu gehört beispielsweise häufig das Blutdruck- und Diabetesmanagement, Einstellung auf orale Antikoagulation oder Wundversorgungs- und Kontinenzkliniken. Pflegegeführte Kliniken setzen dafür meist computergestützte Entscheidungsunterstützungswerkzeuge ein. Zudem erlaubt moderne Video-Konferenztechnologie ein schnelles, virtuelles Einbinden von Ärzten in entsprechende Entscheidungs- oder Diagnostikprozesse.

Wäre dies in Deutschland denkbar? 
Es gibt Aspekte die dafür sprechen, jedoch auch Gegenteiliges. Einige kleinere Kliniken werden möglicherweise in den nächsten Monaten schließen müssen und gleichzeitig sorgt sich die Bevölkerung und Lokalpolitik um die gesundheitliche Grundversorgung. Solche Kliniken könnten ein kommunales Zentrum mit Gesundheitskiosk, Gemeindeschwester-Modell und Pflegegeführter Klinik darstellen. Moderne Pflege-Expertensoftware kann hier mittels künstlicher Intelligenz signifikant unterstützen. TI-basierte Services könnten beispielsweise Telemedizin- und pflege in diesen speziellen Kliniken sinnvoll integrieren und administrative und medizinische Kosten sinnvoll reduziert werden. Aber, es müssten auch regulative Voraussetzungen geschaffen werden. Neben den Abrechnungsmöglichkeiten gegenüber den Kostenträgern, müssten auch Kompetenzen der Pflegefachleute erweitert werden. Dazu gehört sicher auch die (begrenzte) Erlaubnis von Verordnungen bzw. pharmakologischen Anordnungen, wie es in anderen Ländern durchaus üblich ist.

Und hier stoßen die Interessen der Berufsgruppen im Gesundheitssektor elementar aufeinander. Häufig werden die Pflegefachleute noch als Assistenz der Mediziner verstanden und gegen jeglichen Kompetenztransfer wird angekämpft. Das haben auch die vergangenen Jahre gezeigt, in denen große Diskussionen zu Kompetenzen in Gemeindeschwestern-Modellen oder bei der Verordnung von Pflegehilfsmitteln in der ambulanten Pflege aufgekommen sind. Diese Widerstände müssten überwunden werden, denn schließlich leiden auch die Ärzte unter einem signifikanten Fachkräftemangel.

Ich finde, es sollten Modellprojekte zu Pflegegeführte Kliniken in Deutschland aufgesetzt und die Voraussetzungen geschaffen werden. Schon häufiger konnten wir bei unseren europäischen Nachbarn sehen, wie z.B. beim niederländischen Buurzorg-Modell, dass sich pflegegeführte Versorgungsmodelle deutlich ökonomischer, mit einer absolut hohen Zufriedenheit bei den Pflegefachleuten umsetzen lassen.

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