Rückblick DMEA 2022: Digitale Pflege kann nicht jeder!

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Viele Wochen an Vorbereitungen, drei Tage intensiver Austausch und Netzwerken – die DMEA 2022 ist schon wieder Geschichte. Nicht nur, dass man sich nach zwei Jahren endlich wieder real gegenüberstehen durfte, für viele war es die Vorbereitung auf die kommende, sportliche „KHZG-Zeit“. Dabei ist ein Top-Thema sicher die Umsetzung des Fördertatbestandes 3, also die „Digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation“. 

Und während man vor wenigen Jahren noch die Hersteller von solchen Lösungen eher belächelt hat (kein Geld und halt nur Pflege) und die KIS-Hersteller meist nur Formulare mit der Überschrift „Pflege“ anboten, werden jetzt die Entscheidungen für die digitale Zukunft der Pflegefachkräfte getroffen. Und plötzlich können Hersteller den Pflegeprozess digital abbilden, die gestern noch nicht einmal wussten, dass dieser bereits seit 1974 als Standard pflegerischer Arbeit von der WHO festgeschrieben ist.

Und hier werden die Kliniken schon bald die signifikanten Unterschiede zwischen den Systemen und dem echten Entlastungspotential für die Pflegefachleute erleben. Zum Beispiel die simple Frage, ob ich mir als Pflegefachkraft selbst intensiv Gedanken zu den richtigen Assessmentinstrumenten, Pflegediagnosen oder Pflegemaßnahmen machen muss und diese dann in entsprechende Formulare der Software eintippe? Oder ist die beschaffte Software so intelligent, das pflegerische Setting eines Patienten selbst zu erkennen, die richtigen Assessment-Items zu generieren und daraus automatisch Pflegediagnosen und Pflegemaßnamen vorzuschlagen. Können Routinedokumentationen in der Pflege durch intelligente Sensoren und smarte Pflegehilfsmittel automatisch durchgeführt werden? 
Also letztendlich, wie zeit-intensiv muss die Pflegefachkraft selbst dokumentieren oder wie weit wird sie technologisch davon entlastet (Automatisierung, Prädiktion, Prävention)? 
Und genau dies zeigte sich auch auf der diesjährigen DMEA. Natürlich kann ich ein historisches Softwaresystem um Formulare für die Pflege erweitern, damit würde ich jedoch den Dokumentationsaufwand für die Pflege vielleicht sogar erhöhen. Denn heute findet man in kaum einer Klinik den vollständig, individuellen Pflegeprozess- und -plan für jeden Patienten vor. Obwohl dieser seit zwei Jahren gesetzlich verpflichtend ist, haben die meisten pflegerischen Kollegen in den Kliniken, diesen aufwendigen Dokumentationsprozess zuletzt bei den Examen-Vorbereitungen umgesetzt. Und nun muss dieser Fachprozess nach KHZG digitalisiert und verpflichtend umgesetzt werden, wo doch schon heute 60% des Arbeitsalltags der Pflege aus Dokumentation besteht. Moderne Pflege-Expertensysteme haben diesen Prozess automatisiert -klassische „Ich-kann-alles-Systeme“ jedoch, bieten hier meist Formulare für aufwendige Tipparbeit. Welches System wird hier wohl eher entlastend wirken? Es zeigt sich also, dass die Digitalisierung der Pflege weit mehr als IT ist. Sie umfasst neben dem klassischen Projekt- und Prozessmanagement, auch das Change-, Wissens- und Technologiemanagement. Und diese Kompetenzen muss ein Anbieter aus pflegerischer Perspektive mitbringen.

Daher sollten sich die Entscheider und IT-Abteilungen dies genauer ansehen und auch diejenigen einbeziehen, die mit diesen Tools arbeiten sollen. Natürlich ist der Beschaffungs- und Betreuungsaufwand einfacher, wenn man nur das „Modul“ des Monolithen beauftragt. Wenn die Kernprozesse dann aber nicht unterstützt, sondern sogar durch Mehraufwand gestört werden, hat man sicher nichts Gutes für die Rahmenbedingungen der Pflege beigesteuert.

Ich verstehe das KHZG nicht als KIS-Modul-Beschaffungsunterstützung, sondern als Möglichkeit, echte, digitale Prozesse in den Kliniken zu realisieren. Und die Erfahrung zeigt, dass dies meist nicht monolithisch funktioniert und echte Interoperabilität hier ungeahnte Potentiale für die digitale Zukunft eröffnet. 
Hier besteht in der Tat die Wahl aus digitalen Funktionen oder digitalen Prozessen. 
Und wählen sollte in diesem Kontext, stets die Pflege selbst!

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